#fragdenLUX – der Ratgeber für Medizinstudenten, Berufsstarter und Ärzte

Welche Fachärzte können es sich leisten, keine Berufshaftpflicht zu haben?

Was Fachärzte über ihr spezielles Haftungsrisiko wissen sollten.

Medizinstudent

Assistenzarzt

Facharzt

Arztpraxis

Bei aller Sorgfalt, auch den Besten können Fehler unterlaufen.

Angestellte Fachärzte sind über ihren Arbeitgeber versichert, falls sie einen Patienten falsch behandeln und dadurch schädigen. Für grobe Fahrlässigkeit muss der Arbeitgeber nicht einstehen, auch nicht für ärztliches Tun außerhalb des Jobs.

Die Berufsordnung verpflichtet den Arzt, sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche zu versichern.

Was sind die gesetzlichen / rechtlichen Grundlagen der Arzthaftung?

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 823 ff. ;

Versicherungsvertragsgesetz (VVG) § 100 ff.;

Berufsordnung;

SGB V §95e für ermächtigte Ärzte

Absicherungsmotive

Mediziner tragen heutzutage eine enorme Verantwortung. Patienten vertrauen ihnen ihre Gesundheit an, verlassen sich auf ihr Urteil und Therapieempfehlungen. Heilbehandler sind regelmäßig gezwungen, unter Zeitdruck Entscheidungen zu treffen und dabei nichts zu übersehen.

Kleine Fehler oder Unaufmerksamkeiten können zu großen Katastrophen führen. Weiterbildungsassistenten dürfen zwar nur unter Aufsicht tätig werden, im oftmals hektischen Klinikalltag klappt das aber nicht immer.

In Zeiten von Emergency Room, Greys Anatomy und Dr. Google werden ärztliche Ratschläge und Entscheidungen immer kritischer hinterfragt. Daher verwundert es nicht, dass nach Schätzung der Deutschen Ärzteversicherung jährlich etwa 400.000 Vorwürfe aufgrund medizinischer Behandlungsfehler erhoben werden.

Eine Berufshaftpflichtversicherung schützt dich vor Schadenersatzansprüchen aufgrund von Behandlungs- oder Aufklärungsfehlern.

Ist eine Berufshaftpflicht für Fachärzte sinnvoll?

Selbstverständlich. Nur eine eigene Berufshaftpflichtversicherung stellt sicher, dass alle relevanten Risiken abgesichert sind. Wer nicht seine gesamte berufliche, wie private Existenz aufs Spiel setzen will, sichert sich ausreichend ab.

Wer braucht eine Berufshaftpflicht für Fachärzte?

Für Fachärzte heißt es erst einmal „Kommt drauf an“.

Es empfiehlt sich folgendes zweistufiges Vorgehen:

  1. Erfassung aller ärztlichen Tätigkeiten, die im Laufe eines Jahres ausgeübt werden (Hauptberuf und Nebenjobs)
  2. Anfrage an den Arbeitgeber, welcher Versicherungsschutz konkret über ihn besteht.

Erst mit diesen Informationen ist eine klare Empfehlung pro oder contra eigener Berufshaftpflicht-Vertrag möglich. Für freiberufliche (Neben-)Tätigkeiten (z.B. Notarzt, KV-Dienste, Praxisvertretung, etc.) braucht ein Arzt immer eine eigene Berufshaftpflichtversicherung

Arbeitgeberregress

Der Deutsche Gesetzgeber erlegt Arbeitgebern eine so genannte Freistellungspflicht auf. Das bedeutet: der Arbeitgeber muss den Angestellten von Schadenersatzforderungen Dritter freistellen, sprich: die Haftung übernehmen. Diese Freistellungsverpflichtung gilt für leichte und mittlere Fahrlässigkeit. Für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz muss der Arbeitgeber nicht einstehen.

Deshalb ist in den Tarifverträgen des Öffentlichen Dienstes geregelt, dass der Arbeitgeber, in Fällen grober Fahrlässigkeit, den Arbeitnehmer in Regress nehmen kann.


Das gilt gleichermaßen für Behandlungs- oder Aufklärungsfehler, wie für Schäden, die der Arbeitnehmer am Eigentum des Arbeitgebers verursacht.
Z.B. wenn dem Arzt der Ultraschallkopf aus der Hand fällt und dieser ersetzt werden muss.

Die meisten Arbeitgeberanfragen zum Haftpflichtversicherungsschutz und zur Regressnahme greifen an dieser Stelle zu kurz. Es genügt nicht, zu fragen „nimmt der Arbeitgeber Regress?“, vielmehr muss zwischen den beiden vorgenannten Fällen differenziert werden.


Die gute Nachricht ist: es gibt Kliniken, die von sich explizit auf diesen Unterschied hinweisen und damit manch angestelltem Arzt möglicherweise einige hundert oder sogar tausend Euro Versicherungsprämie im Jahr sparen.

 

Was muss eine Berufshaftpflicht für Fachärzte leisten?

  1. Prüfung

Eine Haftpflichtversicherung prüft zunächst Rechtslage und gegen den Versicherten erhobene Forderungen.

  1. Befriedigung

Berechtigte Ansprüche werden befriedigt / entschädigt.

  1. Abwehr

Unberechtigte Ansprüche werden abgewiesen (passive Rechtsschutzfunktion).

  1. Erweiterter Strafrechtsschutz

Darüber hinaus wird bei guten Berufshaftpflicht-Verträgen Rechtsschutz für strafrechtliche Vorwürfe  gewährt, die auch eine Haftung nach sich ziehen können (erweiterter Strafrechtsschutz).

  1. Nachhaftung

Für den Fall der Beendigung der ärztlichen Tätigkeit oder des Todes.

Welche Schäden versichert eine Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte?

Personenschäden …
… resultieren aus einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Anspruchstellers. Infrage kommen Forderungen in Form von Schmerzensgeld und Verdienstausfall.

Sachschäden …
… entstehen, wenn das Eigentum des Anspruchstellers beschädigt oder zerstört wird. Forderungen des Geschädigten sind Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch Reparatur oder Neuanschaffung, ggf. auch Nutzungsausfall.

Vermögensschäden …
… verursachen einen geldwerten Nachteil, ohne dass gleichzeitig ein Personen- oder Sachschaden eintritt.

 

Welche Tätigkeiten versichert eine Berufshaftpflicht für Fachärzte?

Versichert werden alle im Versicherungsschein beschriebenen Tätigkeiten des Facharztes. Diese vollständig zu identifizieren ist Aufgabe einer umfassenden Risikoanalyse und einer eingehenden Befragung des Arbeitgebers. Erst danach ist die Konfiguration des benötigten Haftpflichtschutzes möglich.

Welche Versicherungssummen (Deckungssummen) sollte eine Berufshaftpflichtversicherung für Fachärzte haben?

Das BGB bestimmt, dass du mit deinem jetzigen und zukünftigen Vermögen haftest. Also unbegrenzt. Deshalb können die zu vereinbarenden Deckungssummen nicht hoch genug sein. Üblich sind 5 Mio EUR, es gibt auch Angebote für 7,5 oder 10 Mio EUR Deckung.

Wofür leistet eine Berufshaftpflicht für Fachärzte nicht?

Vorsatz
Für z.B. vorsätzlich verursachte Schäden oder Behandlungen mit behördlich verbotenen Arzneimitteln leistet kein Versicherer.

Behandlungen mit fehlender medizinischer Indikation
Für kosmetisch indizierte Behandlungen und Eingriffe ist es derzeit schwierig, Versicherungsschutz zu bekommen.

Aufgabenbereich Öffentliche Hand
Schäden, die in den Aufgabenbereich des Kommunalen Schadenausgleiches oder anderer öffentlich-rechtlicher Träger fallen sind generell vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Werden medizinische Behandlungen nicht ordnungsgemäß oder unsachgemäß ausgeführt spricht man von einem Behandlungsfehler, der zivil- und strafrechtlich verfolgt werden kann. Eine im Jahr 2019 von der Bundesärztekammer durchgeführte Erhebung identifizierte im Zeitraum 2006-2019 rd. 11.000 Behandlungen mit mutmaßlichen Behandlungsfehlern, die jedes Jahr durch Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen der Kammern zu bewerten waren.

Patientenaufklärung und Dokumentation als Risikovorsorge und Vertrauensbildung?

Eine für den Patienten verständliche Aufklärung schafft nicht nur Vertrauen und Patientenzufriedenheit, sie ist auch die Basis einer eventuellen späteren Abwehr unberechtigter Forderungen. Deshalb sollte der Patient nicht nur umfassend und verständlich aufgeklärt, sondern das ganze auch nachvollziehbar dokumentiert werden.

Ist der Geltungsbereich einer Berufshaftpflicht für Fachärzte eingeschränkt?

Der Schutz für außerdienstliche Ereignisse (Erste Hilfe, Notfälle) ist meist regional unbeschränkt zu haben, während für Versicherungsschutz für dienstliche Tätigkeiten oftmals  bestimmte Länder ausschließt.

Auf was sollten Fachärzte bei ihrer Berufshaftpflicht achten?

ausreichende Deckungssummen (mindestens 5 Mio Euro) – je höher desto besser;

Mitversicherung aller relevanten Tätigkeiten (z.B. auch besondere Nebentätigkeiten);

kompetenter Risikoträger (Versicherer): ein Versicherer, der auf Landwirtschaft spezialisiert ist, wird sich eher weniger bis gar nicht im Bereich Heilwesen auskennen

Sind alle Haftpflichtversicherungen gleichermaßen für Fachärzte geeignet?

NEIN. Es gibt nur wenige Angebote, die die Bedürfnisse von Ärzten vollumfänglich befriedigen.

Reine Privathaftpflichtversicherungen sind generell ungeeignet, da sie das spezielle Risiko von Ärzten nicht hinreichend versichern.

Was unterscheidet eine Berufs- von einer Privathaftpflicht-Versicherung?

Eine Berufshaftpflicht versichert Ersatzansprüche, die aus der Ausübung des Arztberufes resultieren.

Eine Privathaftpflicht deckt Ersatzansprüche gegen Privatpersonen, Sporttreibende, Aufsichtspersonen (Eltern), auch Fußgänger, Radfahrer, unabhängig von deren beruflicher Tätigkeit

Wie verhält sich ein Arzt im Schadenfall richtig?

Informiere immer zuerst deinen Versicherer und stimme das weitere Vorgehen mit ihm ab. Sende diesem eine ausführliche Stellungnahme zu dem Behandlungsfehlervorwurf und die relevanten Patientenunterlagen in Kopie;

Erkenne keine Ansprüche Die Bewertung der maßgeblichen Situation und der daraus folgenden Ansprüche ist Aufgabe deines Haftpflichtversicherers, bzw. von dessen spezialisierten Juristen und Gutachtern;

Wirst du aufgefordert, Patientenunterlagen herauszugeben, bist du verpflichtet, entsprechende Kopien gegen Erstattung von Kopierkosten zur Verfügung zu stellen (gib niemals Originale heraus, auch kein bildgebendes Befundmaterial);

Fordert ein Dritter Unterlagen an, muss der Patient zuvor eine Schweigepflichtentbindung oder Vollmacht erklärt haben. Lass dir diese schriftlich vorlegen und mach eine Kopie für deine Unterlagen.

ACHTUNG: Bei der Schadenmeldung gehen persönliche Daten eines Anspruchstellers / Patienten niemanden außer den Versicherer etwas an. Die Weitergabe von Patientendaten an Unbefugte (dazu gehören alle, die nicht beim Versicherer direkt angestellt oder von ihm mit der Schadenregulierung beauftragt sind) ist ein strafrechtlicher Verstoß (§ 203 StGB).

Was kostet eine Berufshaftpflicht für Fachärzte?

Die Beitragshöhe eines geeigneten Berufshaftpflicht-Vertrages für Fachärzte ist von vielen Faktoren abhängig. Eine reine Restkostenversicherung (Erste Hilfe, Notfälle) ist bereits für weniger als 100 € pro Jahr erhältlich, während  manche Chefärzte mit Absicherung der klinischen Tätigkeit und dem passenden Fachgebiet durchaus bis weit über 20.000 € für ihre Berufshaftpflichtversicherung aufwenden müssen. Eine gründliche Analyse der abzusichernden Tätigkeit(en) ist unabdingbar.

Was passiert, wenn sich die zu versichernde Tätigkeit ändert?

Wichtiger Bestandteil einer Berufshaftpflichtversicherung für Mediziner ist die so genannte Vorsorgeversicherung. Sie sorgt dafür, dass du bei einer Änderung des Risikos (z.B. Statuswechsel Stations-/Ober-/Chefarzt) deinen Versicherungsschutz nicht verlierst. Das höhere Risiko ist bis zur nächsten Fälligkeit (Zeitpunkt der Beitragszahlung) mitversichert und muss spätestens dann dem Versicherer angezeigt werden. Dafür schickt dir der Versicherer rechtzeitig zum Fälligkeitstermin einen Fragebogen.

Aber Achtung:
die Vorsorgeversicherung gilt nicht für Fachgebiete, die der Versicherer bedingungsgemäß nicht versichert!
Daher kann es sinnvoll sein, sich rechtzeitig vor der Facharztprüfung mit einer Anschlussversicherung zu beschäftigen.

Schadenbeispiele

Infolge unterlassener Röntgenkontrolle verkennt ein Chirurg das Abkippen einer Unterarmfraktur, die in erheblicher Fehlstellung verheilt. Der 40jährige Fernfahrer wird berufsunfähig und muss umgeschult werden.

Bei einer Laparoskopie werden Nachbarorgane geschädigt.

Vermögensschaden:
Wegen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses wird die Bewerbung eines Angestellten von einer Firma abgelehnt. Er bleibt längere Zeit arbeitslos. Der Arzt wird für den Verdienstausfall in Anspruch genommen.

Ein Patient wird nach einer ambulanten Operation nach Hause entlassen, wo er verstirbt. Die Angehörigen machen Schmerzensgeld, Beerdigungskosten und monatliche Unterhaltsansprüche geltend. Chirurg und Anästhesist sind in Beweisnot, weil sie die umfassende Abschlussuntersuchung nicht dokumentiert haben.

gut zu wissen: zweite Facharztweiterbildung

Fachärzte, die sich um eine zweite oder dritte Facharztanerkennung bemühen, gelten während dieser Weiterbildung versicherungstechnisch nicht als Weiterbildungsassistent, sondern als Facharzt.

Noch Fragen?
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